Multimodal VI GST

Verbändeinitiative Großraum- und Schwertransport

Großraum- und Schwertransporte (GST) sind elementare Voraussetzung für die Durchführung von Infrastrukturprojekten der Wirtschaft wie auch der öffentlichen Hand. Die Projektabläufe von Großprojekten sind immer wieder individuell und erfordern lange Planungs- und Vorbereitungszeiten. Der fortschreitende Verschleiß der Verkehrsinfrastruktur zeigt sich aktuell überdeutlich durch die Vielzahl maroder Brücken in Deutschland. Dies führt zu ungeahnten Erschwernissen bei der Suche nach der idealen Transportroute. Das Antrags- und Genehmigungsverfahren, das für GST auf der Straße zu durchlaufen ist, leidet immer mehr unter langwierigen Verwaltungsabläufen. Die Bearbeitungszeiten bei den Behörden nehmen derzeit Wochen bis Monate in Anspruch. Festgelegte Projektabläufe geraten dadurch aus den Fugen und verursachen Verzögerungen und Kostensteigerungen. Nationale Strategien wie die Energiewende stehen auf der Kippe, wenn z.B. Windenergieanlagen wegen Transportproblemen nicht wie vorgesehen errichtet werden können.

Für die verladende Industrie ist der aktuelle Zustand nicht mehr tragbar. Im Januar 2023 hat sich daher die Verbändeinitiative Großraum- und Schwertransporte (VI GST) gegründet als gemeinsame Plattform der verladenden Wirtschaft und der Schwergutlogistik. Ziel ist die deutliche Forderung an die Politik, Großraum- und Schwertransporte nicht unnötig zu behindern, Spielräume zu nutzen und dringende Erleichterungen zu ermöglichen.

Das Positionspapier der Verbändeinitiative für „Verbesserte Bedingungen für Großraum- und Schwertransporte zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft“ artikuliert den aktuellen Handlungsbedarf.

Positionen

Verbesserte Bedingungen für Großraum- und Schwertransporte zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft

Die Bundesregierung hat sich eine wettbewerbsfähige und effiziente Wirtschaft u.a. in Verbindung mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. Damit der dafür notwendige tägliche Neubau von sechs Windenergieanlagen gelingen kann, sind aufgrund der Größe und des Gewichts der benötigten Bauteile allein in diesem Wirtschaftsbereich jährlich rund 60.000 Großraum- und Schwertransporte (GST) notwendig. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass neben dem Ausbau der Windenergie auch GST für den Transport von Maschinen und Anlagen sowie den Ausbau der Infrastruktur (z. B. Brückenbau, Tiefbau, Wasserbau) und den Wohnungs- und Gewerbebau von entscheidender Bedeutung sind.

Ohne Krane, Baumaschinen, Metall- und Stahlbetonbauteile sind die für den Wirtschaftsstandort Deutschland wichtigen Baumaßnahmen nicht umsetzbar. Aber auch für die Landwirtschaft und Schausteller sind Großraum- und Schwertransporte von existentieller Bedeutung. Derzeitig behindern insbesondere vermeidbare Bürokratiehürden und Defizite in der Verkehrsinfrastruktur und der Digitalisierung diese zwingend erforderlichen Transporte. Die deutsche Wirtschaft ist dringend auf ein transparentes, verlässliches und vor allem praktikables System zur Genehmigung und Durchführung von GST angewiesen.

 

Die Verbändeinitiative Großraum- und Schwertransporte (VI GST) hat hierzu nachfolgende Lösungsvorschläge erarbeitet:

 

a) Fahrzeugcluster einführen

Jedes Fahrzeug, mit dem ein GST durchgeführt werden soll, bedarf einer gesonderten Genehmigung. Dies verursacht allein wegen der unterschiedlichen technischen Beschaffenheit der Fahrzeuge zusätzliche Genehmigungsanträge. Beispielsweise ist die Bauindustrie auf einen flexiblen Einsatz der Fahrzeuge des jeweiligen Fuhrparks angewiesen, um rechtzeitig Bauteile zur Baustelle zu transportieren. Dies wird durch Rn. 95 der Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 Absatz 3 StVO jedoch konterkariert, da sie keine Toleranzen bei der technischen Beschaffenheit des Fahrzeugs zulässt. Zu beachten ist hier, dass größere Unternehmen häufig über eine Vielzahl von Zugfahrzeugen und Anhängern verfügen, die entweder vom gleichen Typ sind oder deren unterschiedliche Achsabstände keine nennenswerten Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur haben. Das führt zu weniger Flexibilität bei den Projekten.

Für Transportunternehmen ist bei der Planung eines GST nicht immer vorhersehbar, welches Fahrzeug konkret zum Transportzeitpunkt zur Verfügung steht. Deshalb sind Transportunternehmen wegen der o.g. Regelung häufig gezwungen, viele weitere Anträge (bis zu zehn) vorsorglich zu stellen, um eine Genehmigung für das zum Transportzeitpunkt verfügbare Fahrzeug zu erlangen.

Diese Antragsflut ist für die Verwaltung als auch für die Transportunternehmen eine vermeidbare Belastung. Um diese Belastung zu verhindern und eine für die Unternehmen erforderliche Flexibilität zu schaffen, könnten GST-Fahrzeuge in Fahrzeugkombinationsgruppen zusammengefasst werden, bei denen Toleranzen bei den Achsabständen der Fahrzeuge gelten. Dies unter der Bedingung, dass die Fahrzeuge die gleiche Anzahl an Achsen vorweisen. Die Toleranzen bei Achsabständen könnten durch allgemeingültige „von… bis zu…“-Formulierungen in den Verwaltungsvorschriften geregelt werden.

 

b) Unterschreitungen genehmigter Abmessungen/Gewichte wieder mitgenehmigen

Durch Änderung der VwV zu § 29 Absatz 3 StVO ist eine Unterschreitung der Abmessungen der Ladung von mehr als 15 cm und/oder des Gewichts von mehr als 5 % nicht mehr möglich. Im Falle einer solchen Unterschreitung muss eine neue Genehmigung beantragt werden. Dies verursacht vermeidbare Anträge, die Genehmigungsbehörden und Transportunternehmen gleichermaßen belasten. Vor der Änderung der VwV zur StVO galten diese geringfügigen Unterschreitungen als mitgenehmigt.

Die VwV zur StVO sollte geändert werden, sodass diese Unterschreitungen nach dem verwaltungsrechtlichen Grundsatz „maius minus continent“ (das Größere schließt das Kleinere mit ein) wieder mitgenehmigt werden. Für die vorgenannten Punkte bedarf es einer zeitnahen Anpassung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften!

Genehmigungsverfahren für GST dauern aktuell bis zu mehreren Monaten. Auskünfte, wann die Genehmigung erteilt wird, können die Behörden aufgrund von Überlastung – für 2022 fielen allein ca. 330.000 Genehmigungsanträge an – oft nicht geben. Deshalb sind die Transporte für die Wirtschaft oftmals nicht planbar, was zu gestörten Lieferketten, Bauabläufen und deutlichen Kostensteigerungen führt.

Unternehmen erhalten Bescheide, die 200 Seiten umfassen. Grund: Alle in Betracht kommenden Auflagen werden beigefügt, auch wenn sie später für den konkreten Transport nicht relevant sind. Die VwV sollte für die genehmigenden Behörden nachvollziehbar gestaltet werden, damit Bescheide auch für Unternehmen verständlicher werden.

Die Digitalisierung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens durch VEMAGS ist bisher nicht gelungen. Dies zeigt sich bereits daran, dass Antragsdaten vom antragstellenden Transportunternehmen händisch eingegeben werden müssen. VEMAGS stellt nur ein automatisiertes Verfahren dar. Es bedarf jedoch eines digitalen Austauschs von allen Daten zwischen den IT-Systemen der transportdurchführenden Unternehmen innerhalb eines gemeinsamen Geoinformationssystems. Einige Schwertransportunternehmen verfügen bereits über Scan-Fahrzeuge und elektronische sowie selbstlernende Schwerlastkarten. Zudem sollte in einem solchen Geoinformationssystem die Abwicklung aller Prozesse rund um die Durchführung eines GST vereint und sowohl von Wirtschaft als auch von den Behörden genutzt werden können. Beantragung, Planung und Genehmigung sollten also neu gedacht, standardisiert und digitalisiert werden!

Die Multiplikatoren und Formel des Anhangs zur Gebühren-Nummer 263.1.1 GST werden von den einzelnen Behörden unterschiedlich angewendet. Unterschiedliche und z.T. zehnfach höhere Gebühren im Vergleich zu früher erschweren die Kalkulation. Es sollten – unter Einbeziehung der Fachverbände – bundeseinheitliche Kriterien zur Anwendung der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) geschaffen werden. Zudem sollten zwecks Transparenz Gebührenbescheide zukünftig eine Aufschlüsselung der Gebührenzusammensetzung enthalten. Die Gebührenordnung ist dringend hinsichtlich Struktur, Gebührenhöhe und einheitlicher Anwendung zu überarbeiten.

GST werden durch kommunale Sondernutzungsgebühren (z.B. Lüdenscheid, München) für die verladende Industrie weiter verteuert. Die kommunalen Sondernutzungsgebühren sollten daher abgeschafft werden.

Die marode Verkehrsinfrastruktur – insbesondere im Bereich der Brücken – stellt eine erhebliche Behinderung für die GST dar. Sie führt zu erheblichen Umwegen, Zusatzbelastungen der Ausweichstrecken und erhöht dadurch CO2-Emissionen.

Die Infrastruktur (Straße, Schiene, Wasserstraße) sollte daher umgehend und gezielt instandgesetzt und, wo notwendig, ausgebaut werden. Es wird in diesem Zusammenhang gefordert, prioritär bundesweite Schwerlastkorridore auszuweisen und diese digital den Antragstellern zur Verfügung zu stellen.

Vorhandenes Personal bei Genehmigungsbehörden und der Autobahn GmbH des Bundes sollte mehr geschult und durch digitale Prozesse (z.B. automatische Routenberechnung) entlastet werden. Denn gut geschultes Fachpersonal, welches bei wiederkehrenden Prozessen z.B. durch lernende Tools entlastet werden könnte, ist unverzichtbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und schnelle Durchführung von Genehmigungsverfahren.

Die Verkehrssicherung von GST soll zukünftig von der Polizei auf private Verwaltungshelfer verlagert werden. In Kürze werden deshalb tausende Transportbegleiter benötigt. Allerdings werden derzeit mangels Vorgaben kaum qualifizierte und zertifizierte Aus- und Fortbildungen von Verbänden und Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Ausbildung angeboten. Um eine qualitativ hochwertige Ausbildung anbieten zu können, sollten die Personalausbildung zum Transportbegleiter und die Anforderungen an die Ausbildungsstätten umgehend einheitlich geregelt und hinsichtlich des Umfanges der Ausbildung praktikabel gestaltet werden.

Die Anhörfreigrenze sollte einheitlich für die gesamte Wirtschaft geregelt werden, damit andere Wirtschaftsbereiche nicht benachteiligt werden. Die bisherige Anhörfreigrenze von 41,8 t sollte auf 44,0 t angehoben werden.

Jeder Verkehrsträger kann entsprechend seiner Stärken einen Beitrag für einen effizienten und klimafreundlichen Transport von großen und schweren Ladungen leisten. Hierzu bedarf es einer sachlichen und ideologiefreien Bewertung. Eine generelle Bevorteilung von kombinierten Verkehren gegenüber dem reinen Straßentransport wird abgelehnt.

Die deutsche Wirtschaft kann mit ihrem umfangreichen fachlichen Know-how Politik und Behörden bei der Verbesserung der Bedingungen für GST unterstützen. Daher fordern wir einen regelmäßigen Dialog und die Einbeziehung von Experten aus Wirtschaftsverbänden in GST-Gremien der Ministerien und Verwaltung.

Meilensteine

Steuerungsgruppe

Beteiligte Organisationen

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